Daniela, die Organisatorin der Reise, meditiert im "Mangotempel"
Daniela, die Organisatorin der Reise, meditiert im "Mangotempel"

Indien, geht's noch?

Meine erste Reise nach und in Asien führte mich nach Südindien. Das Zustandekommen war so einfach wie zufällig: Im Herbst 2022, noch während meiner vorläufig letzten beruflichen Tätigkeit als Lehrer, entschied ich mich spontan, im Februar 2023 etwas "ganz Anderes" zu machen.

Sowas zu finden, dafür bietet sich die Rubrik "Reisen" im kleinen, alternativen Magazin "A-Bulletin" (verlegt in der Schweiz) an, wo sich unter anderem viele Angebote, die ökologisch und/oder spirituell "hinterlegt" sind, finden.

Um es vorwegzunehmen: Ich würde es wieder genau gleich machen.

Die Gruppenreise ermöglichte mir eine stressfreie Begegnung mit ganz normalen Menschen in alltäglichen Situationen, aber auch in Momenten, welche für viele Inder*innen ebenfalls sehr besonders sind, nämlich im Rahmen Ihrer Feiern und Kulte des Hinduismus.

Beim Aufenthalt im Ashram hatte ich Zeit und Musse, meine Erlebnisse aufzuschreiben und Hintergrundinformationen zu studieren und sammeln. 

Schliesslich fühlte ich mich bereit, in den verbleibenden Zeit noch alleine in Kerala zu reisen.

Gelandet in einer Parallelwelt

Flughafen Chennai, Bundesstaat Tamil Nadu, Südindien

Sonntag, 29. Januar 2023 ... ja genau, auch hier 21. Jahrhundert, gemäss unserer Zeitrechnung. Ausgespuckt aus einer scheinbar sicheren, meist überschaubaren, aber sicherlich gewohnteren Erlebenswelt.

Nicht nur ich, auch die Taxifahrer, die mit ihren Schildern die richtigen Passagiere suchen, gucken etwas belämmert in die Welt, naja, es ist ja auch um 3 Uhr in der Früh! 

Fahrt durch die Nacht

Gemäss den Angaben die ich über den Fahrer habe, heisst er Jaiamurti, was sich dann später als nicht ganz richtig - aber eben auch nicht ganz falsch erweist.

Die Reise durch die Nacht auf dem Highway fühlt sich irgendwie an, wie eine Raumfahrt durch ein heruntergekommenes intergalaktisches Wurmloch. Bezogen auf das später Erlebte, fehlten hier allerdings die Tiere auf der Strasse. Menschen waren da schon..., wohin die wohl gingen, worauf die wohl warteten, morgens um vier, auf dem Highway und dem Weg zur Arbeit oder gar zur Schule ... ?

Heisser Tee in den Tropen

Nach so gefühlten zwei Stunden, erste Lektion in Indien: Ein Chai weckt die Lebensgeister und muss einfach sein, das geht wirklich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Erhältlich beim Teebrauer ihres Vertrauens an jeder belebten Ecke des Subkontinents.

Welcome to Indian reality

Bei der Ankunft in den Vororten von Pondi-cherry ging für mich, das erste Mal nach einigen Jahren, die tropische Sonne auf und die indische Welt erwachte in ihrer farbenprächtigen Gestalt.

Auf den ersten Blick auffallend sind die Frauen in ihren leuchtend-farbigen Saris, viel Grün überall, ab und zu ein Tempel oder Schrein. Für zartbesaitete und verwöhnte westliche Menschen folgt nun aber wohl auch die sehr ruppige Landung im indischen "Multiversum". 

1500 Millionen = 1.5 Milliarden, ein Sechstel der Weltbevölkerung, die Hälfte unter 25 Jahre jung. Der Subkontinent bevölkert mit über 400 Menschen pro Quadratkilometer. 

Das Gesetz des Hupens - eine kleine Verkehrskunde

Dass diese nicht schön verteilt sind auf der enormen Fläche, zeigt sich sicher und spätestens auf den dritten Blick. Bereits auf der Fahrt durch die Aussenquartiere von Pondicherry Richtung Auroville, erkenne ich unschwer, dass meine eher kritischen Vorstellungen und Erwartungen immer wieder zutreffen.

Viele Menschen sind mit vielen Fahrzeugen, insbesondere zwei- und dreirädrigen Motorrädern unterwegs, die auch zu dritt, viert oder mit Kleinfamilie plus Waren besetzt sein können.

Ausweichen, überholen und hupen, bzw. umgekehrt, in beliebiger Reihenfolge oder auch gleichzeitig, erscheint als das gültige Strassenverkehrsgesetz. Aufgrund dessen und auch der unzähligen Schwellen oder Löcher wegen, ist allerdings die Geschwindigkeit selten hoch. Also kann auch auf einem "normalen" vierspurigen "Highway" nicht mit mehr als 40 Kilometern durchschnittlichen Vorwärtskommen pro Stunde gerechnet werden. 

Am Strassenrand tummeln sich in Siedlungen Hunde, Kühe, Fussgänger*innen, meist in einer Art Rinne, angefüllt mit einer nicht im Detail erkennbaren Masse von Bauschutt, Plastik, Kuhdung, Gemüse- und/oder Früchteresten. Auch Textilien, einzelne "Schlappen" sind auszumachen, ab und zu geschmückt mit Resten von Blütenkränzen (die, wie ich später erfahren werde, von den unzähligen hinduistischen Feiertagen, Festen, Ritualen und Kulten herrühren). Wow, was für eine Welt! Von den Behausungen werde ich später schreiben..., erst einmal dieses mental verdauen.

Do you understand?

Nun ging die Suche los: Ich hatte die Namen von zwei Unterkünften erhalten, der Fahrer scheinbar ebenfalls..., nur hiessen die nicht gleich. Also drehen wir mal 'ne Runde durchs bewaldete Hinterland.

Wenn der Fahrer, nach Rücksprache mit seinem Chef Jayamoorti (who ist jetzt who?) auf seiner Angabe bestanden hätte, wären wir wohl grad beim ersten Mal richtig gewesen. Dafür hätte ich dann kein Frühstück im bemerkenswerten "Marc's French Café" bekommen und auch nicht 5000 Rupies als Willkommensgeld (!?) ...

Ich hatte mich wohl unbewusst bereits zu diesem Zeitpunkt mehrmals vor meinen Lieblingsgottheiten Ganesha und Lakshmi verneigt...

Gegensätze

Als wir dann einen ersten Versuch zum Einchecken im "Abundance Resort" machten, fiel ich beinahe aus den Socken: In einem Umfeld von scheinbarem Elend und tatsächlichem Schmutz findet sich eine wunderschöne parkähnliche Anlage, moderne Stahlbetonbungalows und dazu liebevoll gestaltete Rabatten und Plätzchen mit Figuren hinduistischer Götter. Der aus dem Bett geholte Besitzer und Manager stellte sich als freundlicher und kompetenter Mensch heraus, der mir dann aber nach ein paar Telefonaten bescheiden musste, dass ich dem "Tamarin Guesthouse" zugeordnet sei.

Angekommen

Ganesha sei Dank, erreichten wir schliesslich und endlich im Verlauf des Morgens die Unterkunft meiner Gruppe.

Tamarin Guesthouse, Auroville
Tamarin Guesthouse, Auroville

Ein angenehmes Zimmer in einem angenehmen und vor allem ruhigen gelegenen Haus, eine Klimaanlage für den Hitzefall, aber vor allem ein "normales" WC im Bad. Dass das Wasser scheinbar und gemäss den Aussagen der Locals und Erfahrungen aller Mitreisenden hier tatsächlich ab dem Hahn gut geniessbar war, überraschte mich schon ziemlich. 

Matrimandir - das leuchtende Symbol für die Utopie "Auroville" - klicken für Doku-Film
Matrimandir - das leuchtende Symbol für die Utopie "Auroville" - klicken für Doku-Film

Der Hinweg führte mich auf einer Staubstrasse durch eine dicht bewachsene, meist baumbestandene Ge-gend - es handelt sich dabei um ein grosses, von den ersten Matrimandir-Sied-lern in den 60er- und 70er-Jahren mit Millionen Bäu-men aufgeforstetes Gebiet.

Nach rund einer Stunde erreichte ich die offene, aber weitläufig umzäunte Freifläche um das Matri-mandir. Die Gebäude auf dieser Seite waren mehr-stöckige Betonblocks mit Balkonen, ausgerichtet zur grossen goldenen Kugel.

Gemäss Hinweistafeln beherbergen sie die Verwaltung und den Radiosender von Auroville. Ich fand dann auch einen Kindergarten, eine Mensa und schliesslich Hinweise auf eine Jugendherberge. Da der Blick auf die kolossale goldene Kugel weiterhin behindert war, suchte ich nach einem Ausblick oder Durchgang, dieser blieb aber verwehrt durch einen hohen, bewachsenen Zaun.

Verlauf (en)

Da ich nach Möglichkeit auf meinen Rückwegen zu einem Ausgangspunkt immer eine Alternative vorziehe, suchte und fand ich auf der Karte eine Abkürzung.

Diese führte mich lange recht angenehm, aber je länger desto mehr etwas verunsichernd, auf einem immer schmaler werdenden Pfad durch den Wald.

Plötzlich stand ich dann am Rande einer Siedlung und wurde von den allgegenwärtigen Hunden angekläfft. Natürlich folgten darauf sofort auch die Blicke der Einheimischen und da ich nun wirklich ein offensichtlicher und bleichgesichtiger "Foreigner" war, wunderten die sich wohl schon über den einsamen Wanderer.

Mit Freundlichkeit und Gelassenheit überwand ich meine Verunsicherung und stand, ebenso unerwartet wie zuvor am Eingang der Siedlung, vor einem ersten Hindutempel. Wie viel den Hindus ihre Gotteshäuser bedeuten, lässt sich weder in Worten noch Zahlen fassen, auch dazu später mehr.

Endlich alle da

Abends kam dann auch meine Gruppe an, etwas gezeichnet von ihrer langen Reise und es gab ein erstes Mal ein Dosa "in house", sowie die kurze Info für den folgenden Tag.

Hier sprach mich dann auch der „richtige“ Jayamoorthi an – notabene der Boss meines ersten Fahrers – und meinte, ich könne ihm die nächtliche Fahrt und den Vorschuss an Rupien gerne auch in Euro bezahlen.

Richtig und schnell Kopfrechnen, die Wechselkurse vor und zurück kennen, bringt jemandem wie Jayamoorthi hier ein paar schöne Prozent zusätzliche Einnahmen. Und ehrlich gesagt war mir das lieber, als die wirklich hohen Gebühren am ATM oder in einer Bank.

Ein gemeinsamer Start

Am Morgen trafen wir uns im Guesthouse immer als erstes beim Frühstück im Obergeschoss und an-schliessend zum Morgenkreis auf dem Dach.

An diesem Montag begann auch unsere "Arbeitswoche", mit sich einrichten, zurechtfinden und kennenlernen. Das Shopping entlang der belebten Haupt-strasse in Auroville (eigentlich heisst der Ort Kuilapalayam), war für einige bereits ergiebig und manche kehrten z.B. noch mehrmals für Kleider, Pashminas, Figürchen, Klangschalen, natürlich alles "very nice and guaranteed genuine" zu dem "Kashmiri-Laden" zurück.

Ich meinerseits fand beim Schuhmacher nebenan ein paar schöne und geeignete Sandalen, welche der Handwerker stante pede mit der gewünschten Sohle verleimte. Obwohl durch jegliche Ratgeber anders vermittelt, verzichtete ich bei ihm auf das Verhandeln des Preises, da der Mann die paar Franken für seinen Aufwand redlich verdient hatte.

Auf Bild klicken für Teil 2:

Auroville und Pondycherri