Warten auf den Bus, Kühe berühren ausdrücklich erlaubt - und Spende erwünscht, der Wachmann findet das aber gar nicht gut
Warten auf den Bus, Kühe berühren ausdrücklich erlaubt - und Spende erwünscht, der Wachmann findet das aber gar nicht gut

Fahrt nach Chidambaram zum Shivatempel Nataraja

Ein wunderlicher Tag begann frühmorgens mit warten, dem Warten auf den Bus, versüsst mit dem obligaten Chai und der herzlichen Verabschiedung vom und durch das wirklich sehr zuvorkommende und hilfsbereite Personal des Guesthouse Tamarin.

Als das Gefährt dann eine runde halbe Stunde später dahertuckerte, wurde spätestens beim Beladen klar, dass dies ein kleineres und weniger bequemes Modell war als das bisherige. Einige der wahrhaft monströsen Koffer fanden nur Platz auf der hinteren Sitzreihe und diese fehlten dann als notwendige Sitzgelegenheit. Entsprechend würde es eine lange Reise unter erschwerten Bedingungen werden.

Hier konnten wir, neben einer grundsätzlich von der indischen Lebensart abhängigen Flexibilität bezüglich Umständen, Zeiten und Terminen, eine erste Tugend lernen:

Geduld und Gelassenheit sind die besten Freunde 

von Reisenden, Pilgern und Kranken

Bei Sonnenaufgang stellte ich erstaunt fest, dass die Sonne auf der falschen Seite aufging!? Der Blick auf die Karte zeigte dann, dass der heutige Tempelbesuch in der entgegengesetzten Richtung zum Tagesziel Tiruvanamalai lag. Somit also weitere Trainingseinheiten in Busfahren und Geduld.

 

Ich mag Gewohnheiten, besonders wenn diese sich auf das notwendige und nahrhafte indische Frühstück und den belebenden Chai der Busfahrer beziehen. Deshalb freute mich der Besuch einer Art vegetarischen indischen Mc Donalds - dies galt dann für fast jede morgendliche Fahrt - für das Einnehmen eines typischen, fast jederzeit und überall erhältliche Dosa oder weiterer ähnlicher Gerichte.

 

Häufig erhält mensch ein Bananenblatt oder eine Art Serviertablett, worauf dann ein, zwei oder mehrere Gebäcke in Art von kleinen Omeletten, Plätzchen oder Kringeln, gekocht oder frittiert, dazu häufig auch weisser Reis serviert wird und schliesslich das Wichtigste, nämlich die unterschiedlichen Saucen, dünnere suppenartige in Schälchen und die dickeren einfach hingekleckst.

Inder*innen essen das mit der rechten (!) Hand, indem die Saucen mit den Gebäcken aufgetunkt und/oder mit dem Reis vermengt werden; ich fragte immer nach einem Löffel, was das Prozedere für mich vereinfachte. 

Der Tempel Nataraja

Nun muss ich aber vom ersten "richtigen" Tempelbesuch in Chidambaram, einer kleinen Stadt im Süden Tamil Nadus, berichten, nämlich dem Shivatempel Nataraja, der als einer der heiligsten Orte des Hinduismus gilt - wobei ich diese Superlative im Verlauf der Reise noch mehrmals hören musste.

An diesem Tag erwartete uns unter dem goldbedeckten Dach des innersten Heiligtums eine besondere Zeremonie, nämlich eine sogenannte Feuerpuja. Eigentlich sollten uns tausende, wenn nicht zehntausende von Gläubigen erwarten, ich spürte aber, dass auch die Reiseleitung nicht unglücklich war, dass sich an diesem Tag nur wenige Hundert dort versammelt hatten.

Mensch betritt also durch einen der üblichen und von Bildern bekannten, bis mehrere Dutzend Meter hohen - häufig auf zwei bis vier Seiten einer Tempelanlage stehenden Türme, zieht immer und unbedingt die Schuhe aus und schlendert dann, mehr oder weniger demütig, gemütlich Richtung Zentrum. Dabei wird einem meist ein Altar des Gottes Ganesha (der mit dem Elefantenkopf) begegnen, welcher den Weg frei macht und alle möglichen materiellen, geistigen und seelischen Hindernisse aus dem Weg räumt.

Der Vergleich mit christlichen Klöstern ist zumindest bezogen auf die bauliche Grundstruktur und die allgemeine Form der vollzogenen Riten und Kulte angebracht und teilweise verblüffend ähnlich. Allerdings scheint es keine dazugehörenden Wohngebäude innerhalb des Gevierts zu geben und die Mönche haben neben den kultischen Handlungen auch ein ziviles Leben.

"Blondes are prefered" ... sorry, aber für indische Familienfotos ist das einfach so
"Blondes are prefered" ... sorry, aber für indische Familienfotos ist das einfach so
Auch Priester brauchen mal 'ne Pause ;-)
Auch Priester brauchen mal 'ne Pause ;-)

Jedenfalls tummelten sich nun, je näher wir dem Zentrum kamen, umso mehr Menschen, natürlich auch Priester (eine eigene, privilegierte Kaste und nicht verpflichtet zum Zölibat), erkennbar an nacktem Oberkörper, besonderen Wickel-kleidern und ausgeprägter "Stirnbemalung".

Diese Zeichen „Tika“ oder „Tilaka“ bestehen aus Asche und Färbemitteln, wie z.B. Sandelholzpaste und je nach Ausprägung ordnet es den Träger seiner bevorzugten Gottheit zu. Es wird meist ergänzt mit dem "Dritten Auge", einem häufig roten Punkt, welches einen metaphysischen Ein-, bzw. Ausblick zum oder vom innersten Selbst ermöglichen soll.

Für mich ist die Symbolik (hier der Fruchtbarkeit und des "Erschaffenden") offensichtlich und ich verstehe viele, wenn nicht die meisten der Riten und Gottesdienste (auch in anderen Religionen) herausgebildet aus urzeitlichen, archaischen Kulten, welche aber durch ihre Abstraktion häufig an Originarität verloren haben.

Meine Kritik bezieht sich dabei auf die teilweise riesige Kluft zwischen dem religiös-kultischen und weltlich-alltäglichen Leben und den konkreten Folgen.

In Indien insbesondere die krasse Diskriminierung des „weiblichen Prinzips“, also der Rolle, der Legitimation und schlicht des Lebens unzähliger Frauen und Mädchen, sowie von Menschen "niederer" Kasten und damit einer institutionellen Unterdrückung eines enormen Teils der Bevölkerung.  

Beachte einmal den Wuchs von Frauen in "dienenden" Tätigkeiten sowie von "armen" Menschen und bedenke die Tatsache, dass nur rund 46 von 100 Neugeborenen Mädchen sind. Und wer steuert in Indien (nicht nur!) die Gefährte ... ?

Klicken für Teil 4, Tiruvanamalai und Arunachala
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