Hirtenvolk trifft auf "digital Natives" - es geht aber auch beides zusammen
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So 12.2. Fahrt nach Penukonda

Diese, mit rund 6 Stunden längste am Stück gefahrene Strecke, führte zuerst durch eine gefühlt "urindische" Wald- und Hügellandschaft auf einer "windy Road", später durch weite, mehr oder weniger bewirtschaftete Gegenden, komplett entwaldet; es erinnerte mich auch  wegen der Felsenhügel an Sardinien und den “Wilden Westen”.

Und auch an diesem Tag wurde die Reiseleitung von den Fahrern - wiederum entgegen der Ankündigung “Verpflegung während der Fahrt” - übertölpelt, denn ohne Chai und ein “anständiges” Frühstück geht so ein langer Tag einfach nicht. Hand aufs Herz, ich bin der gleichen Meinung wie die Fahrer, schliesslich mussten wir a) nicht auf eine bestimmte Zeit im Ashram ankommen und b) können bei einer solchen Pause die meisten körperlichen Bedürfnisse „in einem Rutsch“ abgedeckt werden.

Blick auf Penukonda: Der dazugehörige Sound wäre ein Chor von Muezzin und Mantren, gemischt mit Hundegekläff und Vogelgezwitscher.
Blick auf Penukonda: Der dazugehörige Sound wäre ein Chor von Muezzin und Mantren, gemischt mit Hundegekläff und Vogelgezwitscher.

Aufenthalt und Alltag im Ashram von Sri Kaleshwar

Die Stadt Penukonda mit heute rund 30’000 Einwohnern wäre wohl komplett in Vergessenheit geraten, wenn in jüngerer Zeit nicht zwei - in sehr unterschiedlicher Hinsicht - besondere Ereignisse passiert wären.

 

Mit dem jüngeren beginnend, welches national und in Randnotizen wohl auch international Aufmerksamkeit erheischte, ist der Bau einer enormen Autofabrik des südkoreanischen Konzern KIA gemeint, welcher die komplette Produktion einiger Modelle für den indischen Markt hier angesiedelt hat. Mit einer Inverstition von rund 2 Mia. USD sollen jährlich von mehreren Tausende Mitarbeitenden und nochmals mindestens so vielen Menschen in Zulieferbetrieben, um die 300'000 Fahrzeuge produziert werden. Die Region wird in Kürze also wohl mindestens doppelt so viele Menschen beheimaten und versorgen müssen wie bisher.

Das zweite Ereignis bezieht sich auf den Ashram und damit natürlich vor allem auch auf die Person Sri Kaleshwars, den 2012 im Alter von nur 47 Jahren verstorbenen, spirituellen Lehrer.

Nachdem von Kindheit an wundersame Dinge mit ihm und um ihn herum passiert sein sollen, wählte er vorerst den Weg des Bettelmönchs. Er war viele Jahre lang in ganz Indien unterwegs zu den wichtigsten Pilgerorten. 1993 liess er sich – auf Anraten seines metaphysischen Lehrers Sri Baba hin – in Penukonda nieder und baute den am Fuss einer Hügelkette gelegenen, sehr idyllischen, gepflegten und grosszügig ausgebauten Ashram auf.

Interessant zu wissen ist, dass derselbe König Krishnadevaraya, der im 16. Jahrhundert in Südindien unzählige andere bedeutende Tempelanlagen gestiftet hatte, auch hier direkt auf dem Grund des heutigen Ashram eine und zusätzlich eine weitere in den Hügeln oberhalb, erbauen liess.

Die Ausstrahlung Kaleshwars zog bald hunderte und in den Nullerjahren tausende von Anhänger*innen an und der Ashram blühte und gedieh. Aktuell erholt er sich von der kompletten Isolierung durch Corona und eine gewisse Gelassenheit bezüglich der Zukunft ist spürbar.

Tempelanlage aus der Zeit Krishnadevarayas (15./16. Jahrhundert) - hier soll ein Hotelkomplex entstehen
Tempelanlage aus der Zeit Krishnadevarayas (15./16. Jahrhundert) - hier soll ein Hotelkomplex entstehen

Sonnenaufgang auf dem Hügel mit der zerfallenen Tempelanlage 

Um zu dieser Jahreszeit in den Tropen - Penukonda liegt nur 14° nördlich des Äquators - den Sonnenaufgang zu sehen, mussten wir um 5 Uhr zur Abfahrt bereit sein.

Die Wachleute des Ashram (ja, die gibt es wirklich, und sie sind 7/24 präsent!) fuhren uns mit Geländewagen auf den direkt hinter dem Ashram steil ansteigenden, gebirgig-felsigen Hügel.

Etwas überraschend, erreichten wir bald die offensichtlich neue und sehr gut ausgebaute Bergstrasse, um die paar hundert Höhenmeter zu überwinden. Bald zeigte sich, dass diese noch nicht bis oben fertiggestellt ist und wir letztlich durch eine Baustelle kurvten. Irgendwann wurde auch die Frage geklärt, was denn dies alles überhaupt bezweckt: Es soll auf dem Gebiet der zerfallenden Tempelanlage aus dem 16. Jahrhundert ein Luxusresort gebaut werden. Tatsächlich kann ich mir das rein von Ort und Lage her sogar sehr gut vorstellen, ohne mir dabei aber weitere Gedanken zu den vorerst nötigen Eingriffen ins Ökosystem und den späteren logistischen Herausforderungen zu machen.

Der Ort ist wirklich wunderschön, gelegen in einer Art Senke, mit mehreren Teichen oder Wasserreservoirs, begrenzt von interessanten Felsformationen und mit einer grandiosen Aussicht ins Tiefland, Richtung Norden. Um den Sonnenaufgang zu sehen, mussten wir einen Weg auf die östliche Felskette finden, wo wir tatsächlich rechtzeitig auf grossen Felsblöcken Plätze zur äusseren und inneren Erbauung fanden.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass in wenigen Jahren der Zugang zum grössten Teil dieses Geländes durch hohe Zäune verwehrt wird, wie das als Abgrenzung kommerzieller und öffentlicher Komplexe (nicht nur in Indien) durchaus üblich ist. Wir aber profitierten dieses Mal von der bereits realisierten Strasse und kehrten bequem zurück in den Alltag der Niederungen.

Klicken für Teil 8: Shivaratri und Abschied von Penukonda
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